Liebesgrüsse ans Automobil

Geschäftsmodell Old- & Youngtimer

Liebesgrüsse ans Automobil

6. März 2023 agvs-upsa.ch – Oldtimer lohnen sich: Das sagten sich Christ Johann Collenberg und Marcel Wieduwilt und haben im Zürcher Oberland ein Kompetenzzentrum für historische Fahrzeuge realisiert. Sie setzen damit auch ein Zeichen für Nachhaltig­keit und das Berufsbild Fahrzeugrestaurator.

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Die See-Garage Portmann zog von Meilen nach Grüningen und ist zentraler Teil des Kompetenzzentrums Fahreinheit für historische Fahrzeuge.
 
srh. Der Himmel strahlt blau über dem kleinen Städtchen Grüningen im Zürcher Oberland. Die grüne Natursteinfassade des Neubaus im Eck von Industriestrasse und Esslingerstrasse kommt perfekt zur Geltung. Wer hier vorbeifuhr, konnte in den letzten drei Jahren beobachten, wie sich das Projekt Fahreinheit entwickelte. Nun strahlt auch das Gebäude in seiner ganzen Pracht; die abschliessenden Umgebungsarbeiten sind noch im Gang. Und im Untergeschoss ist noch offen, was – ausser hochmoderner Haustechnik – hineinkommen soll. «Vielleicht vermieten wir es auch nicht, wenn wir sehen, dass wir den Platz selbst brauchen», sagt Christ Johann Collenberg, zusammen mit Marcel Wieduwilt Investor, Initiant und Betreiber des Kompetenzzentrums für Classic Cars.
 
Der gebürtige Bündner hat wie sein Compagnon keinen Hintergrund in der Autobranche, wurde aber schnell zum Fan. «Ich bin in einem Dorf aufgewachsen, mein Vater war der Dorflehrer und Mobilität war für uns eigentlich ein Fremdwort», erzählt er. Collenberg spürte aber den Drang nach Mobilität und der Freiheit, die damit vermittelt wird. «Mit 14 kaufte ich mir ein Töffli, mit 18 eine 125er und mit 20 mein erstes Auto», erinnert er sich. Weil seine Schwiegereltern Old­timer besassen, verlor er sein Herz nicht nur an seine Frau, sondern auch an Classic Cars. Von den Schwiegereltern kaufte er schliesslich auch seinen ersten Oldtimer, einen Darracq von 1913. «Der Wagen hat noch keine Batterie und muss von Hand gestartet werden», erzählt er. Auch heute noch, wenn er eine Ausfahrt mit maximal 45 km/h macht.

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Classic-Car-Enthusiasten und Macher von Fahreinheit: Marcel Wieduwilt (links) und Christ Johann Collenberg.
 
So urig die Autos sind, die im viergeschossigen Gebäude eingestellt werden, so modern und nachhaltig ist der Bau selbst. Fotovoltaik auf dem Dach sowie eine Holzschnitzel- und Fernwärmeheizung sorgen für gutes, CO2-neutrales Klima im ganzen Gebäude – und darüber hinaus. «Wir versorgen fünf Einfamilienhäuser in der Nachbarschaft sowie die Verkehrsbetriebe Zürcher Oberland, die ihr Depot in der Nähe haben, mit Wärme», erklärt Marcel Wieduwilt.
 
Den grössten Raum nimmt die Werkstatt ein
Von der modernen Haustechnik profitieren auch die Betriebe im Erdgeschoss. So ist im Spritzwerk die erste Spritzkabine eingebaut, die mit Schnitzelheizung geheizt wird – bis 70 Grad. Für Farblieferant Akzo Nobel soll diese Lackiererei zu einem Vorzeigebetrieb werden. Auf der gleichen Ebene finden sich noch eine Carrosserie sowie ein Car-Finish, um die alten Autos wieder wie neu aussehen zu lassen. Den grössten Raum nimmt die Werkstatt ein. «Die See-Garage in Meilen kümmerte sich um meine Classic Cars, deshalb wusste ich, dass Roland Portmann dort bald ausziehen musste und auf der Suche nach einem neuen Standort war. So kamen wir in Kontakt», erzählt Collenberg. Nun ist der Spezialist für Old- und Youngtimer Kernmieter der Fahreinheit und zugleich Bezugsperson und Ansprechpartner für die Kundinnen und Kunden.

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Rund drei Viertel der zu vermietenden Einstellplätze sind bereits gebucht.
 
«Roland Portmann ist für uns ein sehr wichtiger Partner im Boot», bestätigt Wieduwilt. «Es geht bei Oldtimern nicht nur um die Sicherheit, von A nach B zu kommen, sondern auch darum, das historische Fahrzeug in einem geschützten Umfeld einstellen zu können.» Collenberg ergänzt: «Das sind Kulturgüter – und hier können wir die Autos von A bis Z hegen und pflegen, bis sie wieder gefahren werden.» Entsprechend seien die meisten, die ihr Fahrzeug auf einem der 164 Parkplätze im Autohotel in Grüningen unterbringen, auch Kunden der See-Garage und nutzen deren Kompetenz.
 
Autos, die hier auf der zweiten und dritten Etage im Hotel logieren, lassen Liebhaber­herzen höherschlagen. Vom modernen Supercar bis zu Preziosen aus der Vorkriegszeit haben hier alle ihr Domizil – für 235 Franken pro Monat. Kehrseite für den gemeinen Autoliebhaber: Zu bestaunen sind die teilweise sehr kostbaren und mit einer Decke geschützten Classic Cars nicht. «Wir sind kein Museum», erklärt Collenberg. Das heisst auch: Alle hier geparkten Autos sind eingelöst oder haben eine Rennlizenz. «Die Kunden bringen uns beispielsweise ihr Sommerauto, um es hier während der kalten Wintermonate unterzubringen», erzählt Wieduwilt. Und bevor es für die sommerlichen Ausfahrten abgeholt wird, bereiten es die Spezialisten im Fahreinheit-Komplex wieder auf. «Die Autos hier haben eine Historie und ein Kunde meinte erleichtert, nachdem er uns sein Auto in Obhut gegeben hatte: ‹Jetzt bin ich froh, ist es in Sicherheit›», erzählt Collenberg. Mit Ausnahme eines Bereichs für Self-Parking hat niemand Zugang zu den hier geparkten Fahrzeugen, doch auch hier sichern Badge und Alarmanlage den Zugang. Auf jeder Etage trennt eine Brandschutztüre die Hallen, die selbst im Winter ohne Heizung rund 20 Grad warm sind und eine Luftfeuchtigkeit von rund 30 bis 40 Prozent haben.

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Das moderne Fahreinheit-Gebäude mit der grünen Natursteinfassade und Dachterrasse vor dem historischen Städtchens Grüningen und den Hügeln des Zürcher Oberlands.
 
Die Idee entstand beim Spargelessen
Die Idee zum Autohotel kam Christ Johann Collenberg vor zehn Jahren bei einem Spargelessen. «Als ich meinen zweiten Oldtimer, einen Packard, kaufte, zog es mir endgültig den Ärmel rein», erzählt er. Dieser steht jetzt ebenfalls im Autohotel. Konkret wurden die Pläne für das Classic-Cars-Kompetenzzentrum schliesslich vor vier Jahren. «Es war klar, dass ein solches Projekt in dieser Region entstehen muss, um erfolgreich zu sein», erklärt Collenberg, «nahe an der Stadt Zürich und der Forchstrasse.» Im April 2019 wurden Collenberg und Wieduwilt auf das Gelände in Grüningen aufmerksam und liessen vom Architekturbüro 3° aus Stäfa ZH erste Studien ausarbeiten. Im August 2020 erfolgte die Baueingabe. Dass sich in der heutigen Zeit ein solches Projekt überhaupt realisieren liess und dies erst noch in der sportlichen Zeit von knapp drei Jahren, ist auch auf intensive Lobbyarbeit hinter den Kulissen zurückzuführen. «Wir nahmen die Gemeinde bewusst von Beginn an mit ins Boot und hatten eine sehr konstruktive Zusammenarbeit», sagt Wieduwilt. Dazu vergaben die beiden Initianten einen Grossteil der Aufträge lokal und regional. Als Belohnung blieben Einsprachen für das markante Projekt aus. Viel mehr weckte es grosses Interesse im knapp 3000 Einwohner grossen Ort. Am Tag der offenen Tür im Sommer 2022 strömten die Leute regelrecht herbei, um den Rohbau zu besichtigen – und erste Fahrzeuge zu bestaunen. «600 Würste gingen weg», erinnert sich Collenberg lachend.
 
Inzwischen läuft der Betrieb bei Fahreinheit. «Wir erhalten fast täglich Anfragen und haben im Moment rund drei Viertel der Parkfläche vermietet», sagt Wieduwilt und blickt von der Dachterrasse rüber zum historischen Städtchen mit dem Schloss aus dem 13. Jahrhundert und dem hügeligen Zürcher Oberland im Hintergrund. Hier oben entsteht eine Dachterrasse, für Kunden- oder Gästeevents in der Abendsonne – inklusive Zugang zum Autolift. Weitsicht ist den beiden Enthusiasten wichtig. Deshalb engagiert sich Collenberg auch für den Beruf des Fahrzeugrestaurators, denn für ihn stellt diese Ausbildung sicher, dass historische Fahrzeuge auch in Zukunft kompetent gewartet werden können – eine Herzensangelegenheit für ihn. «Wir haben einen Gönnerverein, um das Defizit einer Ausbildung aufzufangen, die nur zehn bis zwölf Personen pro Jahr absolvieren können», erklärt er. Für ihn hat der Beruf mit Bezug zur Vergangenheit eine florierende Zukunft. «Es gibt rund 160’000 Oldtimer in der Schweiz, Tendenz steigend», sagt Collenberg. «Und im Classic-Bereich bieten sich unternehmerisch mehr Freiheiten als beispielsweise mit einer Markenvertretung. Deshalb wünsche ich mir, dass mehr junge Fachleute den Mut haben, sich in diesem Bereich zu engagieren.»
 
Weitere Infos unter: fahreinheit.ch

Hier geht es zu den Informationsveranstaltungen – nächste Termine 22. März, 21. Juni und 23. August 2023, jeweils in Olten SO – zum Lehrgang Fahrzeugrestaurator/-in.
 

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