Wir müssen noch mehr tun

Berufsbildungskommission BBK

Wir müssen noch mehr tun

23. Februar 2024 agvs-upsa.ch – Der AGVS, die Sektionen und die einzelnen Betriebe haben im Bereich Grundbildung und höhere ­Berufsbildung viele Herausforderungen zu meistern. Wie man am besten gemeinsam gegen Fachkräftemangel, tiefen ­Frauenanteil oder auch Abwanderungen aus der Branche vorgeht, zeigte man an der BBK eindrücklich auf. Jürg A. Stettler und Ilir Pinto

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In der BBK wurde erörtert, wie man die ­unterschiedlichen Herausforderungen im Bereich Grundbildung und höhere Berufsbildung am besten gemeinsam meistern kann. Fotos: AGVS-Medien

Charles-Albert Hediger, AGVS-Zentralvorstandsmitglied und BBK-Präsident, machte zum Auftakt der jährlichen Sitzung deutlich, wie herausfordernd die aktuelle Lage im Autogewerbe bleibt: «Der Automarkt 2023 blieb klar unter der 300000-Marke. Das hat Einfluss auf unser Budget: Wir müssen effizienter werden, mit weniger mehr bewirken.» Dies in einer Zeit, in der sich Berufsbilder durch die wachsende Elektrifizierung der Fahrzeuge ebenfalls im Wandel befänden.

Seine Zentralvorstands-Kollegin Barbara Germann machte den rund 60 Anwesenden klar, wie wichtig es daher ist, Frauen für die Autobranche zu begeistern. Betriebe sollten Mitarbeitende unbedingt frei von Vorurteilen, ob Geschlecht, Herkunft etc, wahr- und aufnehmen. Germann ist stolz, dass man mit ­Sophie Schumacher eine so starke Botschafterin für die Branche hat. Diese vertritt als Automobil-Mechatronikerin NFZ die Schweiz an den Berufsweltmeisterschaften, den World­Skills, in Lyon (F). «In den technischen Grundbildungen liegt der Frauenanteil noch unter fünf Prozent, im Kaufmännischen sind es über 50 Prozent, im Detailhandel um die 13 bis 15 Prozent. Wir müssen Frauen zeigen, dass es sich lohnt, in unsere Branche zu kommen und zu bleiben», so Germann.

Mit Lehrberufe-Live und Tiktok punkten
Dem stimmte Olivier Maeder, AGVS-­Geschäftsleitung, Bereich Bildung, zu: «Ein höherer Frauenanteil ist eine Möglichkeit, dem Fachkräftemangel zu begegnen. Bei den Berufsmeisterschaften haben wir heute schon einen Frauenanteil von 15 Prozent!» Zufrieden zeigte er sich mit den beiden Bildungskampagnen von 2023. «Die 45 Minuten Einblicke auf Lehrberufe-Live geben Schülerinnen und Schülern einen guten ersten Eindruck. Wir beantworten dazu im Chat Fragen und die Resonanz ist enorm», so Maeder, der hofft, dass das Format 2024 auch in die Romandie kommt, nachdem es sich in der Deutschschweiz in fast allen Kantonen etabliert habe. Auch auf Tiktok spricht das Autogewerbe viele an: 1172800 Views und eine Reichweite von 416672 zeigen, dass man selbst mit Tanzvideos Aufmerksamkeit für Autoberufe generieren kann. Zudem rief Maeder dazu auf, Betriebe auf Themen wie Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung zu sensibilisieren. «Employer Branding, Ausbildung und Talentförderung sowie die Entwicklung des eigenen Betriebs sind hier entscheidend», so Maeder. «Kleinbetriebe sind dabei persönlicher, Grossbetriebe dafür flexibler.»

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Eindeutige Voten zugunsten der Bildung an der Berufsbildungskommission BBK AGVS 2024.

Neu BIKAS statt SKKAB
Bei der kaufmännischen Grundbildung merkte Hans Pfister an, dass man erst 80 Auszubildende rekrutieren konnte, hier liege noch viel Potenzial. «Das Feedback der Betriebe auf die neue Time2learn-Plattform ist sehr positiv», so Pfister. «Leider gibts eine hohe Fluktuation bei den Ausbildnern, daher bieten wir nun weitere Berufsbildner-/innen-Schulungen für Kaufleute 2023 im Autogewerbe an». Schliesslich fehle es nicht an interessierten Jungen, sondern an Ausbildungsplätzen. Pfister gibt zu bedenken, dass man im Hinblick auf das neue QV, das 2026 ansteht, bereits jetzt an Mastertrainer und Schulungen der Prüfungsexperten (PEX) denken müsse. Positiv sieht er die Neuausrichtung der Dachorganisation, die mit neuem Namen BIKAS (Bildung Kaufleute Schweiz, einst SKKAB) auftritt: «Hier können wir mitbestimmen und haben neu EBA und EFZ unter einem Dach.»

Für die Grundbildung Detailhandel konnte Andreas Billeter die Verpflichtung von Verkaufsprofi Thomas Aebi als Fachperson vermelden: «Auch die PEX-Schulung entwickelt sich erfreulich: Die Prüfungen sind viel offener gestaltet, und wir haben in der Branche Automobil After-Sales 30 topmotivierte PEX ausbilden können.» Nachbesserungsbedarf gebe es bei den üK-Inhalten, hier seien die lernortsunabhängigen Gruppen schlicht zu weit weg von der Praxis. Und um die Unsicherheit bei Garagen bezüglich der neuen Grundbildung Sales auszuräumen, ist man daran, Hilfestellungen zu liefern. «Schliesslich wollen wir mehr Lehrverträge in der Branche Sales», so Billeter, der noch PEX für den Schwerpunkt «Betreuen von Online-Shops» sucht.

Revision der technischen ­Grundbildung
Beat Künzi, Präsident der nationalen Kommission für Berufsentwicklung und Qualität B&Q, erklärte, dass man nun die Revision der technischen Grundbildungen Automobil-Assistent/-in (AA), Automobil-Fachmann/-Fachfrau (AF) und Automobil-Mechatroniker/-in (AM) angehen müsse, denn «wir können nicht immer mehr Stoff in die Kurse packen!» Die Krux hier: Was wird gestrichen und was nicht? Soll man Scheiben ersetzen und Kunststoff kleben streichen und so Freiräume für Hochvolttechnik und Assistenzsysteme schaffen?

Der Kommissionsvorschlag von Arnold Schöpfer, der unter anderem vorsah, dass neu drei üK-Tage Elektrotechnik Grundlagen dazukommen, aber vor allem bei der Verbindungstechnik gestrichen wird, sorgte für Diskussionen. Thomas Hofer machte darauf aufmerksam, dass in der Praxis Verbindungstechnik eher gefragt sei. Nach weiteren Voten von Patrick Gansser und André Hoffmann reifte die Idee, dass man für Verbindungstechnik und Metallbearbeitung insgesamt vier Tage aufwenden sollte, wobei man bezüglich Stoff/Inhalt noch flexibel wäre. BBK-Präsident Hediger liess danach, wie ursprünglich geplant, über die einzelnen anzupassenden BiVo-Artikel abstimmen. Resultat: Beim AF kommen die Handlungskompetenzen Fahrassistenz- und Infotainmentsystem sowie Elektro-, Hybrid- und Alternativantriebe zu reparieren dazu. Das Didaktikmodul soll für alle obligatorisch werden (auch für die tertiären Abschlüsse AD und HFP) und alle fünf Jahre sollte eine periodische Wiederholung erfolgen, um der Qualität der Ausbildung einen höheren Stellenwert zu geben. Charles-Albert Hediger ergänzte: «Wir müssen hier vor allem an die Auszubildenden denken, die davon profitieren, wenn es auch für Ausbildner einen Refresher gibt.»
 
Jahrelanger Einsatz für die Berufsbildung
Charles-Albert Hediger und Olivier Maeder nutzten die BKK-Sitzung, um Rolf Künzle (SVBA), Peter Linder (PK ASB), Pierluigi Vizzardi (BBK TI), Jean-Philippe Fumeaux (BBK VS) und Philippe Monnard (BKK VD), die sich seit Jahren um und für die Berufsausbildung stark gemacht hatten, zu verabschieden. «Es gibt nichts Schöneres, als sich für etwas Sinnvolles zu engagieren und sich dabei mit Kollegen austauschen zu können», brachte es Peter Linder auf den Punkt. Jean-Philippe Fumeaux verriet: «Durch die BBK habe ich sehr viele gute Kollegen gewonnen, in der Kommission und der Sektion.» Und Philippe Monnard lachte: «Ich arbeite nun 35 Jahre für den AGVS, angedacht waren einst drei bis vier Jahre.» Er ergänzte: «Es gab immer etwas zu verbessern, um mit den ständigen Veränderungen im Mobilitätsbereich Schritt zu halten. Dies – und für die Jungen zu arbeiten – hat mich immer motiviert und gepusht.»

Kleine Ausbildungsrevolution
Eine Anpassung, die vor allem Olivier Maeder freut: Die Ausbildungsbewilligung für Automobil-Mechatroniker (AM) soll angepasst werden. Drei Jahre Berufspraxis als AM und ein Didaktikmodul sollen künftig reichen, womit Ausnahmebewilligungen in verschiedenen Kantonen wegfallen könnten. «Es ist ja meist der Mechatroniker an der Front, der ausbildet. Hier müssten wir mit Blick auf andere Berufe und den Fachkräftemangel eine Vereinheitlichung anstreben», so Schöpfer. Dieser Punkt war genauso unbestritten wie der Umfang und die Durchführung des QV mit Abschlussprüfung, wobei hier überprüft werden sollte, ob es beim Automobil-Assistenten noch eine schriftliche Prüfung in den Berufskenntnissen braucht. Auch der Punkt zur Notenberechnung und -gewichtung stiess auf keinen Widerstand. Hier sollen pro Jahr zwei üK-Noten ausgewiesen werden, damit man selbst bei einer Wiederholung vom üK im letzten Ausbildungsjahr einen Durchschnitt errechnen kann.

Bei der Hochvolt-Ausbildung will man Anpassungen zu Kompetenzen und Inhalten vornehmen, so dass der HV2 bei Importeuren und Bildungspartnern akzeptiert wird und nur noch ein Ausbildungstag nötig ist, um den Abschluss der Stufe 2 S zu erreichen. Eine deutliche Verbesserung, damit bei einem ­Markenwechsel nicht gleich wieder mehrere Tage für den Hochvolt-Kurs und somit für den Abschluss 2 S absolviert werden müssen. Im Hinblick auf die Ausbildungsbewilligung von Tesla-Betrieben machte man klar, dass man diese begrüsse, aber sicherstellen müsse, dass Lernende auch Kompetenzen ausserhalb der E-Antriebe erwerben könnten und dies an einem zentralen Ort – für die Deutschschweiz liegt ein Konzept in der STF Winterthur vor – erfolgen soll. Die Bildungsbewilligung für Tesla-Betriebe soll nur mit einem Verbundpartner möglich sein, welcher die fehlenden Inhalte vermitteln kann.

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Barbara Germann vom AGVS-Zentralvorstand zeigte den rund 60 Anwesenden auf, wie wichtig es ist, Frauen für die Autobranche zu begeistern.

Daniel Rindlisbacher übernimmt
Aus der Qualitätssicherungs-Kommission Automobildiagnostiker/Automobil-Werkstattkoordinator zeigte Werner Bieli auf, dass man dank Zweistufenmodell «Alternative Antriebssysteme» und Festlegen der neuen Schwerpunkte beim Ausbildungsstoff sowohl bei PW als auch Nutzfahrzeugen up to date sei. Im Oktober 2025 könne die erste Ausbildung in Thun und ab Januar 2027 auch für die Romandie starten. Für die Prüfung gebe es eine neue, seit Anfang Jahr gültige Wegleitung und bis im Herbst werde eine Aufgabenbank für die schriftlichen Prüfungen erstellt. Peter Linder, abtretender Präsident der Prüfungskommission Automobil-Serviceberater, zeigte sich sehr zufrieden mit dem Ablauf der ersten Berufsprüfung 2023 nach neuer Prüfungsordnung: «Ein guter Zeitpunkt, um das Amt an Daniel Rindlisbacher zu übergeben.» Dieser freut sich auf die neue Herausforderung. Der 47-jährige Aargauer, der bei der Amag Import AG in Cham tätig ist, will mehr Personen aus der Romandie in die Kommission integrieren und ergänzte: «Aktuell findet der zweite Lehrgang für Automobil-Serviceberatende statt, mit Prüfung im August 2024. Wir haben hier einen erhöhten Bedarf an PEX in den beiden Landesprachen und sind froh um Hinweis aus den Sektionen.»

Bei den Automobil-Verkaufsberatern erläuterte Patrick Ganière, dass es elf Kandidierende gab, der tiefste Stand bislang, und leider weiterhin keine Bildungsangebote in der Romandie und im Tessin. Man spüre die Verunsicherung wegen der Agenturmodelleinführung, aber «Kundenpflege und Akquirierung werden wichtig bleiben. Volumenziele, Qualitätsziele und Kundendatenbanken gibts auch bei Agenturmodellen; daher müssen auch in Zukunft die Verkaufsberater gut ausgebildet werden können», so der BMW-Händler. Thomas Jäggi von der Prüfungskommission ergänzte, dass mit den Umsetzungsarbeiten zur Totalrevision der Prüfungsordnung und des Weiterbildungsangebots angefangen wurde und es nun in den Arbeitsgruppen gelte, Berufsfeldanalyse, Qualifikationsprofil sowie Prüfungsordnung und Wegleitung zu erarbeiten.

Infos aus der Kommission Höhere Fachprüfung lieferte dann Martin Bächtold: Hier gibt es 2024 zwar keinen Abschluss, nur müssten zehn bis zwölf Prüfungsrepetierende in sämtlichen Prüfungsbereichen nochmals geprüft werden, was einigen Aufwand für die PEX bedeute. Es sei wichtig, bei Betriebswirten den Bezug zur Branche als USP herauszustreichen, schliesslich könnte die Ausbildung auch in anderen Bereichen stattfinden, aber «wir wollen sie möglichst in der Autobranche behalten».
  
Auto-i-dat-CEO beeindruckt von der Sorgfalt

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Verkaufsleiter Eric Besch (links) und CEO Philipp Zimmermann (rechts) von der Auto-i-dat AG übergeben Olivier Maeder, AGVS Geschäftsleitung, Bereich Bildung, den Check über 25 000 Franken.

Die Auto-i-dat AG liefert seit Jahrzehnten relevante Fahrzeugdaten für die Branche, die als Basis für Entscheide in Garagen dienen. Der Datenspezialist zählt seit Jahren zu den Sponsoren des «Tags der Schweizer Garagen» und setzt sich für die Bildung ein. CEO Philipp Zimmermann und Verkaufsleiter Eric Besch überreichen Olivier Maeder, AGVS Geschäftsleitung, Bereich Bildung, dafür einen Check über 25’000 Franken. «42 Experten für elf Auszubildende – das beeindruckt mich tief, mit welcher Sorgfalt hier gearbeitet wird», erläuterte der Auto-i-dat-CEO. «Wir freuen uns, das Autogewerbe und die Ausbildung in der Branche unterstützen zu können.»

Erfolgreiches Frauenseminar
Franziska Schönenberger berichtete vom erfolgreichen Frauenseminar 2023: «Das ist alles andere als ein Kaffeekränzchen, da wird gerackert.» Fachkräftemangel, Notfallorganisation, Verständnis für die Generation X und Nachfolgeregelungen sowie neues Erbrecht wurden erörtert. Das nächste Seminar findet am 28./29. Oktober in Sempach LU statt, zudem sei Ende Mai ein halbtägiges Webinar geplant. Gute News gabs von der AGVS Business Academy, die zum einen die eduQua-­Zertifizierung nach neuer Norm erreichen konnte und zum anderen mit dem neuen Kurs Betriebsnothelfer auf Deutsch aufwarten kann (Französisch und Italienisch sind in Planung). Bei der Branchenlösung BAZ hat man die EKAS-Überprüfung (neu gültig bis Juni 2028) geschafft. «Wir nehmen einige Hausaufgaben mit», verriet Manuela Jost. Man sei nun daran, die branchenspezifischen Checklisten und das Thema Mutterschutz zu aktualisieren. «Wichtig, wenn wir mehr Frauen in unserer Branche wollen!» Zudem habe man den Safety-Bag aufgefrischt, damit die Mitarbeitenden und Lernenden sich adäquat schützen können.

Jugendliche in der Branche halten
Im Bereich der Fahrzeugrestauratoren konnte Marcel Wyler verkünden, dass man 2024 erstmals auch eine französische Prüfung durchführe, was gleichzeitig eine Herausforderung sei: «Ich brauche 42 Experten für eine Prüfung mit elf Kandidierenden.» Gut angenommen wurde die Ausbildung zum Road Ranger, wo erstmals die Vertiefungsrichtung Unfallhilfe nach der neuen PO stattfand, wie Markus Schwab aufzeigte.

Olivier Maeder machte nochmals klar, dass man sehr froh sei um jede Unterstützung, um die Lehrgänge zu füllen, und Sektionen, die hier schon sehr aktiv seien, auch jederzeit gerne helfen. Unklarheit herrscht aktuell, wie es mit dem beliebten Format der Future Days weitergeht, da in Vauffelin gebaut wird. «Das Ersatzformat kam zwar gut an, erreichte aber nur einen Drittel der üblichen Personen – und war klar aufwendiger», so Maeder. Es gelte daher, auch die AGVS-Mitgliederbetriebe in die Verantwortung zu nehmen und die Wichtigkeit der Aus- und Weiterbildung aufzuzeigen. «Wir tun schon viel für die Jungen, aber wir müssen noch mehr tun, um sie in der Branche zu halten», brachte es BKK-Präsident Hediger am Schluss auf den Punkt.
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